Nach einer Methode zur Ideenfindung gefragt, zitierte der Grafik-Designer Stefan Sagmeister in einem Interview James Webb Young:
- Think about a project from any possible point of view. Form yours, from your mom’s, from your clients, from a colour, from a form etc. etc. etc. point of view.
- Write down every thought on its own index card. Fill as many cards as possible.
- Gather them all on a big table. Try to find relationships between the different thoughts.
- Forget about it.
- Idea will strike you when you don’t expect it.
Darauf zu warten, dass der Geistesblitz irgendwann kommt, kann mitunter viel Zeit kosten – Zeit die im Unterricht oft nicht vorhanden ist. Um Schülerinnen und Schüler bei der Ideenfindung zu unterstützen, bietet es sich an, auf die vielfältigen Kreativtechniken zurückzugreifen, die Designer und andere beruflich Kreative tagtäglich nutzen. So ergänzte auch Stefan Sagmeister zu den obigen Ausführungen u.a. Folgendes:
Think. Making a list. Concentrate. Talking to the client (often musicians). Listen to the music (in case of CD-covers). Look through old sketchbooks of mine.
Hier klingen schon verschiedene Strategien an (u.a. Brainstorming und das Nutzen von Inspirationsquellen); einige weitere für den Kunstunterricht nützliche Techniken sind im Folgenden aufgeführt:
1. Methoden des Sammelns
Brainstorming und Mindmapping
Altbekannt und bewährt: Das Sammeln von Ideen in Form des Brainstormings oder Mindmappings. Alle Teilnehmer sammeln so viele Ideen wie möglich, wobei rationale Überlegungen zunächst ausgeklammert werden. Die aufgeschriebenen Ideen werden nach dieser Sammelphase auf ihre Brauchbarkeit überprüft, schriftlich oder im Gespräch. Während beim Brainstorming jeder Einfall unsortiert aufgeschrieben wird, geht es beim Mindmapping darum, visuell zu sortieren. Üblicherweise steht dabei das Thema im Mittelpunkt, um das sich verschiedene Gedankenstränge in Form von Ästen und weiteren Verästelungen sortieren. Es gibt auch kleine Programme für das digitale Erstellen von Mindmaps, z.B. das Open-Source-Tool freemind oder dessen Nachfolger freeplane, die beide über chip.de als Download verfügbar sind.
Methode 635
6 Personen, je 3 Lösungsvorschläge, in je 5 min: Die Teilnehmer (namensgebend sechs) schreiben oder zeichnen je drei Lösungsansätze für ein Problem auf ein Blatt; nach ca. 5 Minuten wird das Blatt jeweils an den Nachbarn weitergegeben, der nun die Idee des Vorgängers weiterentwickelt, egal wie. In den nächsten 5 Minuten entwickelt der nächste diese Weiterentwicklung wieder weiter usw. Die Weiterentwicklungen müssen nicht logisch erfolgen, sondern können auch rein assoziativer Natur sein.
2. Fragen und Anstöße zur Inspiration
Insbesondere bei sehr frei gestellten Aufgaben hilft es, über Fragen ein Problem zu identifizieren, an welchem dann gearbeitet wird. Die Fragen können je nach Aufgabenstellung konkretisiert werden. Ein Beispiel gibt es hier als Download:
Ebenso kann eine kleine Sammlung von Denkanstoß-Kärtchen die Ideenentwicklung unterstützen. Ein Beispiel kann hier heruntergeladen werden (PDF, 95kB).
3. Zeichnerische Ideenfindung
Scribbles
Scribbles sind schnelle, einfache Zeichnungen, die dem Festhalten von Ideen dienen. Es geht dabei nicht um Detailgenauigkeit oder perspektivisch korrekte Wiedergabe – je spontaner die Zeichnungen erfolgen, desto besser. In einem nächsten Schritt können entstandene Formen dann weiterentwickelt werden.
Scribbles & Materialexperimente:
Kombiniert mit Materialexperimenten (z.B. Draht biegen, Papier zerknüllen u.a.) können vielerlei Forminspirationen entstehen.
Scribbles und Analogiebildungen:
Bei der Analogiebildung geht es um die Entwicklung von Lösungen durch die Beobachtung ähnlicher Phänomene in anderen Bereichen, die als Anregung dienen. Ein bekanntes Beispiel ist die Bionik, bei der Analogien zur Natur genutzt werden. So dienen Flügel von Vögeln als Vorbild für Flugzeugformen , der Klettverschluss entstand in Anlehnung an die Haken der Kletten. Mit einer selbst zusammengesammelten → Inspirationsbox / Ideenkiste können Schülerinnen und Schüler selbstständig nach Analogien suchen.
4. Inspirationen sammeln und nutzen
Inspirationsbox / Ideenkiste
Ähnlich wie Sagmeister das Durchblättern von alten Skizzenbüchern beschreibt, kann eine Kiste mit vielen verschiedenen gesammelten Gegenständen, Papierschnipseln usw. der Inspiration dienen – insbesondere auch als Fundus für ein → Moodboard
Bildatlas & „Mapping“
Ein Bildatlas kann, ähnlich wie die → Inspirationsbox, eine Vielzahl von Anregungen für die eigene Arbeit bieten. Hierzu wird ein Fundus an unterschiedlichen Abbildungen (ggf. zu einem bestimmten Thema) angelegt. Ein bekanntes Beispiel aus der Kunst ist der Atlas von Gerhard Richter, eine Sammlung von Fotografien, Zeitungsausschnitten und Skizzen, die der Künstler seit den 1960er-Jahren gesammelt und später geordnet hat. Bereits in den 1920er Jahren arbeitete Aby Warburg an und mit seinem Bildatlas Mnemosyne, um kunstgeschichtliche bzw. motivhistorische Zusammenhänge zu untersuchen. Der oft im Zusammenhang mit dem Bildatlas auftauchende Begriff „Mapping“ bezieht sich auf das Ordnen des Bildmaterials nach bestimmten Kriterien.
Moodboard
Ein Moodboard (Mood = Stimmung, Board = Tafel) ist eine Materialsammlung, die – oft als Collage realisiert – ganz am Anfang des Entwurfsprozesses einen visuellen Eindruck der beabsichtigten Wirkung des fertigen Produkts wiedergibt – ohne dabei schon konkrete Formenvorstellungen abzubilden. So können schnell und einfach Konzepte entwickelt, visualisiert und präsentiert werden.
5. Zerlegung eines Problems in einzelne Teile
Morphologische Methode & Funktionsanalyse
Bei der Funktionsanalyse wird der Gegenstand bzw. das Problem in einzelne Teile zerlegt, für die man unabhängig voneinander möglichst viele verschiedene Lösungen skizzenhaft (z.B. in → Scribbles) erarbeitet. Im nächsten Schritt kombiniert man die kleinen Teillösungen miteinander und setzt sie zu einer Gesamtform zusammen. Hier sind nun viele verschiedene Varianten in kurzer Zeit erstellbar.
Analog zur Funktionsanalyse werden bei der morphologischen Methode Bedeutungsbestandteile eines Produktes einzeln entwickelt: Im sog. morphologischen Kasten, einer Matrix, werden Gestaltungsmöglichkeiten der Teilaspekte des Produkts tabellarisch dargestellt um sie dann systematisch miteinander kombinieren zu können. Teilaspekte können z.B. beim Entwickeln eines Verpackungsdesigns die folgenden sein: Farbe / Form / Material / Schrift / Bilder / Wirkung bzw. Image
6. Den Zufall nutzen
Designpoker
Auch beim Designpoker werden einzelne Aspekte des Problems isoliert und kombiniert. Entscheidend ist bei dieser Strategie jedoch der Einfluss des Zufalls. Es handelt sich beim Designpoker um eine experimentelle Methode, entwickelt von Andreas Brandolini Mitte der 1980er Jahre. Der Zufall soll hier helfen, Zweckrationalismus zu überwinden und neue Kreativität freizusetzen.
Vorgehen:
- Festlegen der wichtigsten Kriterien für ein Produkt
- Einzelne unterschiedliche Möglichkeiten für jedes Kriterium
auf je eine Karteikarte schreiben (oder vorgegebene Karten nutzen) - Aus jeder Kategorie eine Karte ziehen und aus den sich per
Zufall ergebenden Kombinationen eine Lösung erarbeiten
Es können zwei Karten getauscht werden (siehe auch:
oder: K+U 374/375: Extraheft Exkurs Design).Die besonders spielerische Komponente und die ungewöhnlichen Ergebnisse machen diese Methode bei Schülerinnen und Schülern sehr beliebt.
Kleiner Nachschlag: Keri Smiths 100 Ideas
Um ganz allgemein das kreative Denken in Schwung zu bringen, hat die wunderbare Keri Smith, u.a. Autorin des Guerilla Art Kit, schon vor Jahren hier auf ihrem Blog eine Liste inspirierender Tätigkeiten zusammengestellt, auch als pdf (0,9 MB) in Form kleiner Kärtchen zum Herunterladen und Ausschneiden.
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