Ferien!

Endlich Zeit, mal ins Museum zu gehen! Schonmal darüber nachgedacht, dass der Urlaub an sich — auch ohne Museumsbesuch — von kunstpädagogischer Relevanz sein kann?

Tourismus und Kunst als Strategien zur Steigerung der Wahrnehmung bei Billmayer

„Ob im täglichen Unterricht soviel Zeit und Energie auf das Einüben des ästhetischen Erlebens verwendet wird, wie die veröffentlichte Kunstpädagogik fordert, ist schwer einzuschätzen. Erfolge lassen sich jedenfalls kaum nachweisen. […] Der Tourismus ist hier effizienter als Schulunterricht.“ (Franz Billmayer Für eine neue Methode im Bild- /Kunstunterricht“ 2007). Entscheidend für Billmayer ist hier die erhöhte Wahrnehmung. In seinem Text „Tunnelblick und Gipfelglück“ (2005) beschreibt er dahingehende Parallelen zwischen „Kunst“ und „Tourismus“:

„Touristen begeben sich freiwillig in die Fremde, in Situationen, in denen sie sich wenig oder kaum auf routinierte Wahrnehmung verlassen können, sie bevorzugen Orte, die sich von ihrem Zuhause mehr oder weniger unterscheiden. Weil wir dort vieles nicht verstehen und doch zurechtkommen wollen, sind wir zu erhöhter Aufmerksamkeit und intensiver Wahrnehmung gezwungen. Das geht schon bei der räumlichen Orientierung los. Dann kennen wir die Gepflogenheiten nicht und mit der Sprache haben wir auch unsere Probleme, so müssen wir auf den Kontext und andere nonverbale Zeichen achten. […] In der Fremde sind wir automatisch auf eine Steigerung der Wahrnehmung angewiesen. Die Fremde ist ein Wahrnehmungsmotor, eine Methode, die Komplexität unserer Wahrnehmung zu steigern.“

Während Billmayer recht pauschal Parallelen zwischen den beiden Systemen Tourismus und Kunst feststellt, Steigerung der Komplexität der Wahrnehmung und Schemabruch, ähnliches Set von Verhaltensweisen und Einstellungen, beide sind eine Alternative zum Alltag), weist Klaus-Peter Busse in seiner Abhandlung „Bildumgangsspiele: Kunst unterrichten“ (2004) auf die Unterscheidung zwischen tourist und traveller hin, wobei der tourist wohl in seiner Reinform dem von Duane Hanson so treffend dargestellten Klischee des Massenphänomens entspricht, während der traveller sich eher durch Individualismus auszeichnet und dem Entdecker (explorer) näher steht.

touristen marokko
Japanische Touristen bei der Selbstinszenierung am Weltkulturerbe Aït Benhaddou in Marokko (Foto: trekking-marokko.de)

Reisen und Bildumgangsspiele bei Busse

Auch Busse beschäftigt sich in seinen Ausführungen mit dem Reisen, jedoch steht bei ihm der generelle Umgang mit Bildern im Mittelpunkt. Ohne an dieser Stelle auf sein Konzept der Bildumgangsspiele auf Grundlage kultureller Skripte ausführlich einzugehen (siehe Unterricht Methoden), sei nur in Ansätzen darauf hingewiesen, dass gerade im Urlaub und auf Reisen eigene und fremde Bilder eine entscheidende Rolle spielen und zu besonderem Bildumgang herausfordern.

Kulturelle Skripte, die diesen Bildumgang prägen, sind u.a. Orte erforschen, Kartieren, sich Informieren, Sammeln, Dokumentieren („Ich war dort“), aber auch (mehr oder weniger) bewusstes Inszenieren beim Bilder machen / Fotografieren vor besonderen Orten und Sehenswürdigkeiten.

Das Sammeln von Eintrittskarten, Fahrkarten, Muscheln und anderen Fundstücken und landestypischen Reliquien grenzt mitunter an Strategien ästhetischer Forschung.

All diese Handlungen sind künstlerischem Handeln zumindest ähnlich. Zu Hause dann das Reduzieren und Ordnen – das Aufbereiten der Erinnerungsstücke und Bilder in Fotoalben als kreatives, ästhetisches, teilweise gar autobiografisches Verfahren. Busse sieht das Erstellen von „Reisealben“ in einem „enge[n] Zusammenhang mit dem Handlungsfeld „Collage und Autobiografie“ (Busse, 2004).

Konkret für den Unterricht lassen sich die Ferien im Kunstunterricht also auch über die mitunter fragwürdigen „Male dein schönstes Ferienerlebnis“- Aufgaben in komplexeren Arbeitsaufträgen und Projekten thematisieren, indem z.B.

  • Bildumgänge in Reisealben untersucht werden,

  • Reiseverläufe rekonstruiert werden

  • Postkarten auf Stereotypie hin untersucht werden

  • Abbildungen in Urlaubskatalogen analysiert werden

  • kleine Aufträge zu ästhetischer Forschung über die Ferien aufgegeben und danach im Vergleich mit anderen ausgewertet werden,

  • kleine Land-Art-Projekte verwirklicht und dokumentiert werden

Für weitere Ideen, Beispiele und Erfahrungsaustausch sind wir dankbar (Email oder Kommentarfunktion nutzen).

Und nicht vergessen: Jede/r gute Lehrer/in probiert geplante Aufgaben vorher natürlich selbst aus – wir wünschen inspirierende Ferien!

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