Andreas Schoppe und Judith Rompel haben erkannt „dass es zwar eine Vielzahl hervorragender fachdidaktischer Veröffentlichungen gibt, diese aber selten den letzten Schritt auf die ganz konkrete unterrichtliche Ebene vollziehen“ (6). Mit Aufgaben im Kunstunterricht wollen sie diese Lücke nun schließen.
Dazu skizzieren sie zunächst Grundzüge einer Aufgabendidaktik für kompetenzorientierten Kunstunterricht, erläutern die Zusammenhänge von Inhalten und Zielsetzungen von Aufgaben, von Aufgabentypen und ihren Funktionen im Kontext von Unterrichtsreihen und stellen Kriterien für gute Aufgabenstellungen auf.
Schoppe und Rompel haben sich außerdem die Mühe gemacht, sämtliche Rahmenlehrpläne der einzelnen Bundesländer zu sichten und die darin genannten Themenbereiche/Inhalte sowie die für den Kunstunterricht als obligatorisch angesehenen Verfahren aufzulisten. Zudem wird untersucht, inwiefern die jeweiligen Vorgaben die allseits geforderte Kompetenzorientierung berücksichtigen und wie vorgegebene Inhalte, konkrete Aufgabenstellungen und Kompetenzerwartungen zusammenhängen. Letztlich machen Schoppe und Rompel deutlich:
Guter Kunstunterricht ist nicht primär davon abhängig, in welcher Weise Vorgaben formuliert oder mit Inhalt gefüllt sind, sondern letztlich eher davon, in welcher Weise die Unterrichtsinhalte zu den Unterrichtenden und den Unterrichteten passen und vor allem auch, in welchen Arbeits- und Aufgabenformen mit ihnen interagiert wird (Schoppe & Rompel 2017, S. 22)
Die Autoren stellen ein Schema zur Planung von Unterrichtsreihen vor, welches Aufgabenstellungen in den Mittelpunkt stellt beziehungsweise von ihnen ausgeht. Dabei wird auch für die Trennung von Lern- und Leistungssituation plädiert.
So einleuchtend diese Forderung gerade für den Kunstunterricht ist, in dem das Prozesshafte, das Ausprobieren, Experimentieren, Suchen und „Fehler“ machen eine entscheidende Rolle spielt, so wenig wird sie leider noch in der Praxis berücksichtigt.
Schoppe und Rompel stellen weiterhin Kriterien für gute Aufgabenstellungen auf (Klarheit, Differenzierung, Transparenz, Sinnhaftigkeit), die für viele sicher nicht neu sind. Sehr hilfreich für BerufsanfängerInnen und inspirierend für erfahrene KollegInnen sind jedoch die sehr schülergerecht konzipierten und inhaltlich vielfältigen Unterrichtsbeispiele aus Klasse 5 bis 12 (bzw. 13), in denen diese Kriterien Anwendung finden.
Die Unterrichtsvorhaben werden auf insgesamt über 150 Seiten sehr ausführlich beschrieben, mit Ansätzen von Sach- und didaktischer Analyse, zahlreichen Verweisen auf aktuelle Kunst zum jeweiligen Thema sowie Hinweisen zur technischen Umsetzbarkeit im Unterricht (z.B. Cyanotypie). Diese zum Teil sehr konkreten Ausführungen (bis hin zu fertig formulierten Aufgabenstellungen und Erwartungshorizonten) und vor allem die sinnvollen Zielformulierungen für die jeweiligen Aufgaben sind besonders für „AnfängerInnen“ sehr hilfreich. Vor allem, weil sie die Gedankenführung bei der Unterrichtsplanung transparent machen.
Für jedes Beispiel gibt es konkret ausgewiesene Einstiegsaufgaben mit diagnostischer Funktion – dies untermauert den Anspruch, Lern- und Leistungsituationen zu trennen. Viele weitere Aufgabenstellungen werden — deutlich als Lern- oder Leistungsaufgabe ausgewiesen — klar formuliert. Mögliche Beurteilungskriterien werden zum Teil anhand von Schülerbeispielen (inklusive schriftlicher und praktischer Klausurleistungen) vorgestellt.
Die Unterrichtsbeispiele sind mit unterschiedlichen fachdidaktischen Schwerpunkten ausgeführt: So enthält das Beispiel für Klasse 5 einen zusätzlichen Abschnitt zu Aspekten der Inklusion und einen entsprechenden alternativen Planungsvorschlag. Die Beispiele der gymnasialen Oberstufer wiederum werden ergänzt durch Hinweise zur Einplanung sinnvoller Prüfungsvorbereitung für das Abitur. Inhaltlich drehen sich die Beispiele um eine Vielfalt an Techniken und Themen: vom Selbstporträt (Zeichnung, Fotografie) über Drucktechniken, den Themen Reisen, Erinnerungsbilder oder Alice im Wunderland (hier im Kontext von Bewegtbildern) hin zu Mash-Up / Sampling als Kulturtechniken im Bereich der Neuen Medien und Manifesten der Kunst (Kampagne) in der gymnasialen Oberstufe. Alle Beispiele orientieren sich dabei an den Vorgaben der Rahmenlehrpläne.
Abgerundet wird das Ganze durch allgemeinere Hinweise zur Weiterarbeit mit Arbeitsergebnissen, im Sinne von Feedback, Evaluation des Unterrichts und Selbsteinschätzung des Lernniveaus (vgl. Hattie und Leisen). Dazu werden am Ende des Buches Alternativen zur klassischen (meist frontalen) Abschlussbesprechung vorgestellt, die sich zum Teil auch in Schoppes — ebenfalls sehr empfehlenswerter — Veröffentlichung Bildzugänge (2011) nachlesen lassen.
Fazit: Ein didaktisches Modell nach allen Regeln der Kunst?
Aufgaben im Kunstunterricht hält letztlich mehr, als der Titel verspricht, denn Schoppe und Rompel nutzen Aufgaben, um ein Modell zur zeitgemäßen Planung kompetenzorientierten Kunstunterrichts zu entwickeln. Sie gehen dabei konsequent schülerorientiert und sehr klar strukturiert vor. Dieses Vorgehen mag einigen Verfechtern offenerer Herangehensweisen künstlerischer Bildung vielleicht zu geplant, zu „vorschriftsmäßig“ oder gar technokratisch erscheinen. Zu bedenken ist aber, dass es hier um Unterricht im schulischen Kontext und damit um ein zielgerichtetes, planvolles Vorgehen geht. Die Autoren betonen ganz nüchtern: Es entstehen dabei Arbeitsergebnisse zu Aufgaben, keine Kunstwerke:
„Aufgaben vermitteln das produktive und rezeptive Handwerkszeug, mit dessen Hilfe dann möglicherweise später einmal in künstlerischen Zusammenhängen gearbeitet werden kann“ (Schoppe/Rompel 2017, 10).
Um sinnvoll zwischen 45-Minutentakt und Bildungsstandards zu unterrichten, scheint dies zunächst eine realistische Einstellung zu sein. Eine Diskussion darüber, ob dies den Ansprüchen an das Fach „Kunst“ genügen kann und soll, muss an anderer Stelle geführt werden.
Ich halte Aufgaben im Kunstunterricht für eines der momentan hilfreichsten Fachbücher für Studierende, ReferendarInnen, BerufseinsteigerInnen – und auch Ausbildende – auf der Suche nach Hilfestellungen zur Unterrichtsplanung. Die konkreten Beispiele dürfen dabei natürlich nicht als Universal-Rezepte missverstanden werden. Sie machen aber deutlich, wie kompetenzorientierter Kunstunterricht gedacht werden kann. Für alle anderen bietet das Buch Anstöße für vertiefende Auseinandersetzungen und Diskussionen auch auf theoretischer Ebene beziehungsweise zum Überdenken der eigenen unterrichtlichen Praxis.
Es regt außerdem dazu an, ausgehend von den Beispielen (etwas irreführend in ihrer Gesamtheit als „Curriculum“ bezeichnet) ein eigenes schulinternes Curriculum zu entwickeln, welches aufeinander aufbauendes Wissen und Fähigkeiten im Sinne eines Spiralcurriculums berücksichtigt beziehungsweise vernetzt, und dabei im Sinne von Schoppe und Rompel von sinnvollen, schülernahen (Beispiel-)Aufgabenstellungen ausgeht.
- Andreas Schoppe & Judith Rompel: Aufgaben im Kunstunterricht, Kallmeyer/Klett, 2017, ISBN: 978-3772711008, zu beziehen über den Friedrich-Verlag oder bei amazon, 29,95 €
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